• facebook
  • twitter
  • youtube
  • flickr
category-daily-news

Unwissenheit, Beschwerden, Interessenskonflikt – Wie gut funktioniert das neuseeländische Einwanderungs-System?

Immer wieder gehen abstruse Fälle durch die neuseeländischen Medien – von ungerechtfertigten Abschiebungen, der hoffnungslosen Personalsuche und fehlenden Unterstützung von Immigration oder von Kiwis, die sich beschweren, dass ihnen ein Einwanderer die Arbeitsstelle weggenommen habe. Doch was ist an diesen Vorwürfen tatsächlich dran und in wieweit funktioniert das lange ausgetüftelte System, mit dem die neuseeländische Einwanderungsbehörde gezielt passende Immigranten aussucht?

Die weitere Bergung des auf Grund gelaufenen Öltankers Rena ist in vollem Gange. Ein Spezialschiff mit Kran wurde aus Singapur angefordert und arbeitet nun an der Bergung des gesunkenen Schiffes vor der Küste von Tauranga. Für neuseeländische Fachkräfte bedeutet dies „landunter“. „Immigration New Zealand hat zahlreiche Work Visa an das ausländische Bergungsteam vergeben, obwohl wir hier in Neuseeland selbst qualifiziertes Fachpersonal haben, das den Job machen kann“, so der Repräsentant der Gewerkschaft Captain Lew Henderson empört.

Genau gegensätzlich das Beispiel eines Wellingtoner Restaurants. Hier wird händeringend nach einem neuen Restaurantmanager gesucht, doch es findet sich kein qualifiziertes Personal für diese Stelle. Der Beruf des Restaurantmanagers steht jedoch auf der Skill Shortage Liste von Immigration. Dennoch wurde der Work Visa Antrag einer ausländischen Fachkraft abgelehnt. Bloße Schikane, ein Fehler im System oder gerechtfertigte Entscheidung? „Nehmen wir mal ganz konkret das Beispiel des Restaurantmanagers. Die Presse kennt selbst oft die Feinheiten bei diesen Fällen nicht genau. Der Bewerber muss hier gewisse Voraussetzungen erfüllen, wie beispielsweise mindestens vier Jahre Erfahrung im Gastgewerbe mitbringen, davon mindestens zwei Jahre als Supervisor. Eine andere Anforderung an den Antragsteller ist beispielsweise eine Ausbildung in diesem Bereich die mindestens Level 4 entspricht, usw. Ich verteidige Immigration nicht gerne aber in diesem Fall ist vermutlich nur die Hälfte der Wahrheit tatsächlich publiziert worden. Und Immigration selbst kann natürlich aufgrund des Datenschutzes öffentlich nicht konkret zu einzelnen Fällen Stellung nehmen“, erklärt der erfahrene Einwanderungsberater Peter Hahn.

Grundsätzlich muss die Einwanderungsbehörde Neuseelands zwei wichtige Aufgaben erfüllen. Zum einen soll sie hochqualifizierte Immigranten nach Neuseeland holen, um mit ihnen gezielt die Lüken auf dem eigenen Arbeitsmarkt zu füllen. Zum anderen jedoch muss sie den heimischen Arbeitsmarkt schützen. „Das ist natürlich immer eine Gradwanderung“, weiß Peter Hahn aus seiner fast 20jährigen Erfahrung. „Doch die Einwanderungspolitik ist ganz klar geregelt: Wenn die Position von gleichqualifizierten einheimischen Bewerbern gefüllt werden kann, haben diese Vorrang.“

Um dem heimischen Arbeitsmarkt bei der Personalsuche zu helfen, wurde das Work Visa geschaffen, welches den neuseeländischen Arbeitgebern erleichtern soll, qualifiziertes Personal, unter bestimmten Voraussetzungen eben auch aus dem Ausland, einzustellen. „Natürlich passieren überall Fehler, deshalb sehe ich mir die Akten der Kunden, sofern sie schon bestehen, immer sehr genau an. Jeder Fall ist individuell. Und wo es klassische Verfahrensfehler von Seiten der Antragsteller gibt, unterlaufen natürlich auch den Immigrationsbeamten mal Fehler. Wenn man beispielsweise als Antragsteller im Callcenter anruft, um an mehr Details oder Informationen zu gelangen, kann es schon passieren, das hin und wieder Fehlinformationen herausgegeben werden. Oder eben dass die ausländischen Bewerber Fehlinterpretieren oder nicht die richtigen Fragen stellen. Diese Callcenter geben meist sehr eindimensionale Aussagen. Sie können sich nicht jeden Fall allumfassend ansehen, von allen Seiten beleuchten und mit allen Eventualitäten spekulieren“, erklärt der Neuseeland-Experte die Schwierigkeiten in der Handhabung einzelner Fälle.

„Normalerweise gilt die Regel für meine Kunden: je höher die Qualifikation, desto größere Chancen hat man. Doch wie erst kürzlich ein Beispiel gezeigt hat, muss man schon strategisch vorgehen, um sein Pulver nicht zum eigenen Nachteil zu verschießen. Eine deutsche Psychologin hatte ein Stellenangebot als Schulpsychologin. Die Schwierigkeit war jedoch, dass praktizierende Psychologen in Neuseeland eine gesonderte Zulassung brauchen. Diese ist jedoch aufwendig und viele schaffen sie nicht. Für ihr Work Visa haben wir dann einfach aus der Stellenbeschreibung „school counselor“ gemacht, was soviel bedeutet wie Beratungslehrer, also im Grunde genau dasselbe. So hat sie ohne Komplikationen ihre Arbeitserlaubnis bekommen. Doch dies ist natürlich nur ein Beispiel für die kleinen Feinheiten, um die es eben manchmal geht. Taktisch an die Sache heranzugehen ist ganz wichtig. Hätten wir den Antrag als Schulpsychologin erst einmal gestellt, hätten wir verloren und keine zweite Chance mehr gehabt“, erläutert Peter Hahn die Sachlage.

„Natürlich gibt es auch immer wieder irrwitzige Entscheidungen, wie Antragsteller, die sich mit einer Ausbildung Level 8 bewerben, wenn laut Immigration Policy nur Level 7 erforderlich ist. Und dann kommt von Immigration eine Ablehnung, weil die Bürokraten am Schreibtisch eben strikt nach Vorgabe arbeiten, ohne ihren Ermessensspielraum zu nutzen oder logisch an die Sache heran zu gehen. Aber grundsätzlich muss man sagen, funktioniert das System so wie es von Immigration eingerichtet wurde, eigentlich ganz gut – Ausnahmen bestätigen die Regel!“

Join the discussion:

You must be logged in to post a comment.

Archiv

Copyright © Neuseeland eZine. All rights reserved.